Mittwoch, 3. Juni 2015

Live-Review: Nachtblut und Eden Weint Im Grab - Chimonas Tour 2015


Den einen oder anderen mag diese Überschrift verstören. Totgehört auf einem Konzertabend mit NACHTBLUT und EDEN WEINT IM GRAB. Normalerweise besuchen wir Death, Black oder Old-School Metal Konzerte, aber der Blick in eher gotische Gefilde sorgt vor allem für eines: Abwechslung. Dieser Abend im Frankfurter Nachtleben ist nämlich tatsächlich mal etwas ganz anderes.
Den Anfang macht EDEN WEINT IM GRAB (oder kurz EWIG) mit dem Song 'Mein geysterhaftes Grammophon'. Leider ist der Auftakt des Gigs von technischen Problemen durchzogen und so verzögern sich die "düsteren Geschichten des Protagonisten" über den die Berliner in ihren Songs singen. Die Vocals sind zu laut und die Monitore machen auch nicht das, was sie sollen.
Während nach dem Fehler gesucht wird, überbrückt die Instrumentalfraktion und vor allem das elektronische Cello das Warten mit dem Motiv aus Edvard Griegs "In The Hall Of The Mountain King". Nach der Zwangspause fragt Sänger und Gitarrist Alexander Paul Blake scherzhaft, ob das Publikum noch einen  Titel hören möchte und die anwesenden Fans bejahen dies eindeutig. Ein Zuschauer fordert sogar weitere 20 Tracks, aber Fronter Alexander sagt dazu lächelnd, dass dies wahrscheinlich die meisten hier einschläfern würde. Das ist allerdings ist nur eine Szene in der sich die Band selbst aufs Korn nimmt. So melancholisch und romantisch die Titel der Hauptstädtler auch sind, so unverkrampft und selbst-ironisch sind sie in Bezug auf sich selbst. Das erzeugt eine angenehm entspannte Stimmung im Saal und die Band macht einen unheimlich sympathischen Eindruck. Auch das Geständnis des Openers, dass man heute bei der Setlist etwas chaotisch variieren müsse, zeigt, dass diese Band auch mit ungeplanten Widrigkeiten gut umgehen kann. Musikalisch auffällig ist besonders der extreme Unterschied zwischen älterem Material wie 'An die Nacht...' oder 'Unter dem Eis' vom 2008er Album "Trauermarsch nach Neotopia" (was auch ein legitimer Albumtitel von SAMSAS TRAUM sein könnte), das deutlich dunkler und härter ist als der Rest, und dem aktuellen Longplayer "Geysterstunde II - Ein jenseitiges Kuriositätenkabinett", der mit Songs wie 'Die Sage von der weißen Frau' mehr eine abgedrehte Mischung aus NDH und Gothic Metal darstellt. Apropos, Frau Geigerin Kalila Karussell (was sich ebenfalls anhört wie etwas aus dem SAMSAS TRAUM Kosmos) ist heute abkömmlich und ergänzt das Set der Band damit nicht um ihre Violinenakzente. 
Gegen Ende des Auftritts treten immer mehr aktuelle Tracks in den Vordergrund und ehrlich gesagt vergraulen obskure Tracks wie 'Moritat des Leierkastenmanns' alte Fans geradezu (auch wenn ich sagen muss, dass solche Songs zumindest durch den Over-The-Top-Chorus eine ungewollt witzige Komponente haben). Das zwar auch recht aktuelle wenn auch dafür ziemlich harte 'Aurelia' versöhnt dann abschließend wieder alle Zuschauer miteinander, auch wenn die mit einem Augenzwinkern von Alex geforderte Feuerzeug-Choreo vom Publikum bei diesem Stück  nicht umgesetzt wird. Ein solider Ausklang für den Auftritt von EWIG, der zwar mit einigen Problemen zu kämpfen hatte, aber vor allem dadurch überraschend gut ankam, dass das Verhältnis aus alten und neuen Kompositionen gut gewählt war. Auch wenn ich dem Stil der Anfangstage tatsächlich etwas hinterher trauere. 
Stilistische Treue gibt es im Anschluss bei NACHTBLUT. Die Osnabrücker sind seit zehn Jahren unterwegs und zocken seit dem ersten Album einen Stilmix aus Dark Metal, Gothic Rock und rhythmus-betonter Gitarrenarbeit. Die Corpsepaint-artige Schminke und die umgedrehten Kreuze lassen den unbedarften Besucher zwar an Black-Metal-Vorbilder denken, aber schwarzmetallische Maßstäbe darf man hier nicht anlegen. Allein der Umgang der Band mit dem Publikum und die Ansagen von Sänger Askeroth zeigen, dass die Niedersachsen sich eher in der Gothic-Ecke wohlfühlen, auch wenn sie immer wieder bewusst den Platz zwischen den Stühlen einnehmen. 
Ein erstes Highlight in der Performance ist wohl für viele weibliche Fans ist der Moment als Askeroth sein Oberteil auszieht und mit blanker Brust den Rest des Sets bestreitet. Neben seinem Gesicht hat der Frontmann auch seinen Brustkorb und seine Arme angemalt und setzt hier auf einen dunklen Kontrast zu seiner weißen Gesichtsbemalung. Im Gegensatz dazu müssen die männlichen Fans auf den femininen Akzent in der Besetzung verzichten. Mit Lymania fehlt auch beim Headliner die weibliche Verstärkung und so bleibt das Keyboard verwaist und das synthetische Beiwerk wird vom Band aus eingespielt. Inzwischen ist im Zuschauerraum auch mehr los als noch beim ersten Durchgang. Jedoch ist das Nachtleben deutlich davon entfernt ausverkauft zu sein. Askeroth nimmt es aber locker und sagt, dass ihm heute ohnehin ein intimer Club-Gig lieber ist als ein großes Festival wie das Wave-Gotik-Treffen (das einen Tag später in Leipzig startet). Auch wenn keine 70 Nasen im Venue sein dürften, gibt sich die Truppe mächtig Mühe und legt eine ambitionierte Vorstellung aufs Parkett. Kein Wunder, dass Lieder wie 'Ketzter', 'Wie Gott sein' und 'Bitte töte mich' von den Fans heftig abgefeiert werden, wobei man als Außenstehender nicht auf die Text achten sollte, denn die riechen teilweise etwas zu sehr nach morbiden Klischees und gotischem Patschuliduft. Bei aller Vampierromantik betont die Kapelle aber durchaus auch ihren metallischen Background. So stürzt sich Askeroth einmal ins Publikum um einen Moshpit zu starten und zieht ein Mädel aus der ersten Reihe auf die Bühne, um sie zum Headbangen auf der Stage zu animieren. Das kommt gut an (zumindest bei allen außer ihr selbst) und führt nach dem offiziellen Ende des Sets dazu, dass noch drei weitere Zugaben folgen, wovon eine zusammen mit Alex von EWIG performt wird. Den obligatorischen Schlusspunkt wie sooft bildet aber das metallische Cover des alten PRINZEN-Hits 'Alles Nur Geklaut', das auch die Leute mitzieht, die sonst nur rudimentär mit den Songs der Nachtbluter vertraut sind.



Als Fazit kann man deswegen nur feststellen, dass NACHTBLUT zwar mehr Gothic als Dark Metal ist, aber auch trotz der  cheesy'sken Texte und dem theatralischen Auftreten eine Kapelle ist, die weiß wie man eine unterhaltsame Show hinlegt und genau das bietet, was die Zielgruppe von ihr erwartet. Auch die Tatsache, dass sich die Mitglieder nach dem Gig unters Volk mischen und sich Zeit für einen kurzen Plausch mit den Besuchern nehmen verstärkt diesen sympathischen Eindruck. Musikalisch werden die Jungs von NACHTBLUT zwar nie meine absolute Lieblingsband sein, aber ich muss gestehen, dass mich ihre Show gut unterhalten hat und das ist in Anbetracht der genannten Einschränkung sicherlich der größte Pluspunkt, den man ihnen zugestehen kann. Das Reinschnuppern in andere Sub-Genres lohnt sich gelegentlich und kann durchaus weiterempfohlen werden. 
Ein besonderer Dank gilt außerdem unserer Foto-Fee Linda, die für die Bilder in diesem Bericht verantwortlich gewesen ist. 

[Adrian und Linda]

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