Samstag, 28. Mai 2016

Editorial: Der Tod des Metals?

Metal ist aktuell eine lebendige Musikrichtung und ist in vielerlei Hinsicht vitaler als andere Musikschubladen. Metalheads geben bereitwilliger Geld für Merchandise und Konzertkarten aus als andere Musikfreunde. Außerdem kaufen sie noch immer Tonträger und unterstützen sogar noch uralte Formate wie Vinyl oder Kassetten. Aber hat die Bewegung ihren Zenit bereits erreicht oder gar überschritten?
Viele mögen es sich gar nicht vorstellen können, aber der Heavy Metal wird die Menschheit nicht auf ewig begleiten. Wenn ich versuche mit Metallern über die Zukunft der harten Musik zu reden, wird meist geantwortet, dass es immer Metal geben wird. Immerhin sangen auch schon PRIMAL FEAR: "Metal is forever!"
Aber ist das wirklich so? Ewig ist eine verdammt lange Zeit und bisher bringt es der Metal auf rund 40 Jahre Existenz. Das ist nicht einmal ein Wimpernschlag in den Annalen der Musikgeschichte.  Auch sah es schon einmal sehr düster für die
KoRn (2006) / Quelle: it.wikimedia.com (Sry85)
verzerrten Stromgitarren aus. So haben die 90er fast für ein metallisches Massensterben gesorgt, was sich allerdings nur als temporäre Durststrecke herausstellte. So mancher wird das vielleicht nicht gerne hören, aber nicht ganz unschuldig daran, das der Metal überlebte, war der Nu Metal. KORN, SYSTEM OF A DOWN, DISTURBED oder auch STATIC X sind oder waren im klassischen Sinne keine "richtigen" Metal-Bands, aber sie haben Ende der 90er und in den frühen 2000ern viele Teenager an den Metal herangeführt. Ich selbst und viele Metaller, die ich kenne, kamen über diesen Weg in die Metal-Szene. Daraus ergab sich Mitte und Ende der 2000er eine sehr vitale Szene, die Metal-Kneipen und Konzerthallen bevölkert hat. Der Altersdurchschnitt war damals gefühlt zwischen 16 und 20 Jahren. Heute wiederum beklagen viele, gerade kleinere Szene-Schuppen, Besucherschwund. Sätze wie "Weißt Du noch als es hier unter der Woche voll war?" oder "Früher war bei den Konzerten hier aber mehr los!" hört man immer häufiger. Woran liegt das? Das unterscheidet sich natürlich von Region zu Region. Aber gerade in kleinstädtischen Gebieten ohne berufliche Perspektive oder Hochschulen ziehen
Dagi Bee und Bibi (v.l.n.r.) / Quelle:
commons.wikimedia.org (Julesboringlife)
die jungen Leute nach ihrem Schulabschluss weg und kommen dann auch nicht mehr wieder. An dieser Stelle ist der Nachwuchs gefragt. Aber wer ist das eigentlich? Unsere Gesellschaft wird ja generell immer älter und die jungen Leute, die nachkommen scheinen sich weniger mit Musik zu identifizieren als früher. Bravo und Popcorn berichten deutlich weniger über Musik als noch vor 10 Jahren und die Cover zieren fast immer Youtuber wie Bibi oder Dagi Bee. Wenn die Jugend Musik hört ist im Mainstream selten Rock dabei - eigentlich gibt es 2016 keine echte Stromgitarren-Kapelle, die im Mainstream relevant wäre. Das mag dem Metalhead erst einmal egal sein, aber ist
Linkin Park / Quelle: commons.wikimedia.org
(Stefan Brending)
entscheidend wenn es um den Nachwuchs der Szene geht. Früher gab es eben große Mega-Bands, die zwar nicht immer die beste Musik gemacht haben, aber in Massenmedien zu finden waren. Ob Hair Metal á la BON JOVI oder Nu Metal im Stile von LINKIN PARK, solche Bands mobilisierten viele neue und vor allem junge Fan-Scharen, von den wiederum einige tiefer in die Szene eintauchten und zu metallischen Überzeugungstätern wurden. Aktuell gibt es solche Bewegungen nicht mehr. Das Musikfernsehen und klassische Radio DJs haben ihren Stellenwert verloren. Nie zuvor war es so einfach an eine so vielfältige Auswahl von Musik praktisch jederzeit heranzukommen. Das führt einerseits zu unglaublich vielen unterschiedlichen Musikgeschmäckern, aber zerklüftet vor
Iron Maiden / Quelle: commons.wikimedia.org
(De-fexxx666)
allem die Subkulturen sehr massiv. Die eine Metal-Szene gibt es ohnehin nicht mehr – es gibt viele unterschiedliche Sub-Szenen, die miteinander kaum mehr etwas zu tun haben. Power Metaller werden sich  mit Black Metallern nur schwer über die wichtigsten Newcomer der letzten Jahre unterhalten können, weil sich jeder von ihnen im eigenen Kosmos bewegt. Maximal aktuelle Alben von BLACK SABBATH und IRON MAIDEN schaffen es noch Szene- und Generationsübergreifend beachtet zu werden. Ansonsten mangelt es an großen neuen Bands, die Fans unterschiedlicher Stile an einen Tisch holen, in den Mainstream vorstoßen, dort an Relevanz gewinnen und neue, junge Fans für die Szene rekrutieren.

Insgesamt besteht also eine durchaus realistische Gefahr, dass der Metal die
Oft für Tod erklärt...
nächsten 40 Jahre seiner Existenz weniger gut überstehen wird, als er es bisher getan hat. Veränderte Interessen bei der Jugend, eine Überangebot an Subgenres und Bands sowie mangelnde Rock-Titanen könnten dem harten Genre zum Verhängnis werden. Sollte der Metal sterben, wird es kein plötzlicher Tod, sondern ein schleichender Prozess werden. Und zuerst wird der Underground sterben, der an einem Überangebot und mangelnder Nachfrage kollabieren könnte, wenn ihm nicht vorher der Nachwuchs ausgeht. Die letzten großen Bands, die noch existieren, werden natürlich auch nicht jünger und müssen irgendwann in Rente gehen. So dass man zu guter Letzt  irgendwann im Altersheim sitzt und sich nur an seinen alten Platten und Erinnerungen erfreuen kann, bis auch die letzten Fans und Szene-Strukturen verschwunden sein werden.

Allerdings muss das alles gar nicht so kommen und gerade die modernen Technologien bieten vielleicht sogar die Möglichkeit den Metal wieder zu neuen Erfolgen zu führen. Denn gerade der Mangel an großen Rock-Bands, bei einem analogen Überangebot an gleichgeschalteten Milchreisbubis, die deutsche Zuckerwatte-Texte ins Mikro nuscheln, steigt vielleicht gerade wieder die Nachfrage nach rotzigen und unbequemen Sounds. Auch über die neuen Metalmärkte in Nah- und Fernost sollte noch einmal geredet werden, weswegen wir an anderer Stelle, die Gründe vorstellen werden, wieso die langfristige Zukunft  des Metals auch sehr positiv sein kann.
Bis dahin könnt ihr euren Senf zu diesem Thema gerne bei uns loswerden und (hoffentlich) sachlich mit uns diskutieren.

[Adrian]

1 Kommentar:

  1. Die hier aufgeführten Argumente zeigen einen allgemeinen Trend bzw den meiner Meinung nach "Demografischen Wandel" der Musikszene im Allgemeinen. Wir leben in einer Zeit in der alte Ikonen sterben und keine neuen nachkommen. Mich selbst hat der Tod von Lemmy schwer getroffen, war er doch einer derjenigen der wie eine Art "Vaterfigur" des Metals für mich war.
    Man erlebt inzwischen auch im Black Metal Bereich einen Wandel, nicht nur bei den Bands / der Art und Weise ihres Auftretens, Musik und Konzertlocations, auch das Publikum ändert sich. Die Richtung in die es geht ist noch nicht (meiner Meinung nach) ersichtlich, schwankt es dann doch immer hin und her, was gerade als toll oder erstrebenswert scheint.
    Aus diesem Grund bin ich der Überzeugung dass es wichtig ist, sich selbst auf die alten Werte des Metals zu berufen. Man sollte nicht versuchen neues zu erschaffen durch irgendwelches vermischen von allzu vielen Stilrichtungen, man sollte sich auf eine bestimmte Richtung konzentrieren und dann versuchen diese zu perfektionieren. Logischerweise wird man da auf Widerstand treffen, aber auch hier gilt, sobald man Widerstand hat ist man auf dem richtigen weg. Keine große "alte" Metal-Band war von anfang an beliebt. Als bestes Beispiel dazu, Motörhead wurden als sie in ihren anfängen waren als die schlechteste Band der Welt betitelt und man gab ihnen maximal 5 Jahre bis zu Auflösung.
    Folglich führt eine Rückbesinnung auf das "Alte" direkt zu einer Schaffung von "Neuem" wodurch eine Wiederbelebung der Szene entstehen kann bzw auch wieder junges Blut in die Reihen der Fans kommt.

    - Rex, Runenwacht

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