Sonntag, 24. Juli 2016

Editorial: Hat Linkin Park den Metal gerettet?

Diese Überschrift wirkt erst einmal wie ein schlechter Witz, aber die These, dass die amerikanische Nu-Metal-Band LINKIN PARK den Metal Anno 2000 mit ihrem Debütalbum "Hybrid Theory" gerettet habe, wurde von LP-Schreihals Chester Bennington in einem Interview mit der Metal-Website Teamrock.com höchstselbst  letzte Woche ins Gespräch gebracht. Seine Behauptung lautet konkret, dass die Gruppe mit ihrer ersten Scheibe den Metal ins 21. Jahrhundert gehievt hätte. Auch würde er immer wieder Fans treffen, die angeben, dass die Musik der Crossover-Combo sie dazu gebracht hätte sich mit Rock und Metal zu befassen.
Um eines vorneweg klar zustellen: ich bin als Teenager selbst durch den Nu Metal erstmals mit harter Musik in Berührung gekommen. Das lag zum einen daran, dass meine Hauptbezugsquelle für neue Musik damals Radio und Musikfernsehen (ja, so etwas gab es auch mal) gewesen war, und ich zum anderen keine Freunde oder Geschwister hatte, die mich an "richtigen" Metal hätten heranführen können (das kam erst später). Deswegen bildeten auch die ersten Singles von LINKIN PARK (vor allem 'One Step Closer') einen wichtigen Bezugspunkt für mich. Nichtsdestotrotz kann ich Chester und seinen Ausführungen nicht zustimmen. 

Denn auch wenn LINKIN PARKs Erstwerk durchaus gute Nummern enthält wie 'In The End' oder (das besagte) 'One Step Closer', war es ähnlich wie die meisten Nu-Metal-Alben alles andere als nachhaltig. Anders als die Vielzahl der Metal-Subgenre wie etwa Thrash, Death oder Black Metal hat der Nu Metal keine Erbe hinterlassen und wurde in der Hauptsache von Bands der Major-Labels aus
Linkin Park - live in Berlin 2010
(Quelle: wikimedia.org)
Amerika künstlich hochgezüchtet. Er hat auf keiner breiten Basis im Untergrund gefußt und musste 
unweigerlich und ähnlich wie der Grunge bereits wenige Jahre nach seiner Entstehung  wieder sterben. Oder anders gesagt: Metal funktioniert nicht als Top-Down Modell - die wichtigsten Entwicklungen haben immer junge Bands in Proberäumen vorangetrieben, die sich bewusst gegen die Trends der großen Plattenfirmen gestellt haben. Nu Metal war anders - er gab zwar vor die Musik der Außenseiter zu sein, war aber tatsächlich ein Hype der Hippen, die sich nicht tiefer-gehend mit der Seele der Musik beschäftigt haben. Das merkt man schon daran, dass weniger auf die Vermarktung von Alben und mehr auf die Promotion der Singles Wert gelegt wurde. Konventioneller Metal funktioniert so nicht. Hier geht es um starke Longplayer und nicht um einzelne radiotaugliche Songs, die auf einer CD mit ein bisschen Beiwerk zusammengefasst werden.
Es ist zwar Fakt, dass harter Rock und Metal Ende der Neunziger beziehungsweise Anfang der 2000er gerade aus einer Krise gekommen war, sich aber bereits zum Jahrtausendwechsel schon wieder auf dem Weg nach oben befand. Festivals wie Wacken, Summerbreeze oder auch With Full Force wuchsen stetig und auch alte Helden wie zum Beispiel IRON MAIDEN feierten mit Alben wie "Brave New World" neue, große Erfolge. Aber kommen wir zurück zu unseren selbsternannten "Rettern der Szene". Denn ihre (nicht vorhandene) Treue zu harten Gitarren, beweist ebenfalls wie sehr Chester im Nachhinein seine eigene Rolle verklärt. Bereits auf "Hybrid Theory" gab es einige Songs, die keine Gitarren nutzten und dieser Trend setzte sich bekanntlich soweit fort, dass man auf aktuelleren Releases nur noch im Hintergrund erahnen kann, das Rock die Basis für den Sound bilden soll.

Die wahren Retter des Metals sind hingegen die lokalen Szenen und der gut
vernetzte Untergrund. Mit kleinen Bands, die unermüdlich auch die lokalsten Jugendzentren bespielen, Indie-Labels, die eine eigene Infrastruktur haben, die
Der typische Nu Metal Fan
(erklärt von Zeichner LusoSkav)
auch ohne Majors auskommt, und hingebungsvollen Fans, die bereit sind Geld für ihre Szene auszugeben, befinden sich die wahren Helden direkt unter uns. Ich will nicht leugnen, dass der Nu Metal und damit auch LINKIN PARK viele 90s- und 2000s-Kids dazu gebracht hat sich zum ersten Mal in ihren Leben mit metallischen Riffs auseinanderzusetzen - dass diese Zuhörerschaft aber auch über die Pubertät hinaus dabei geblieben ist, verdankt der Metal dem Untergrund. 
Also lieber Herr Bennington, wenn es Sie stört, dass LINKIN PARK von der Metal-Szene nur belächelt wird (für diese Bewegung schienen sie sich ja ohnehin nie wirklich zu interessieren) dann ist die einzige richtige Antwort ein Album abzuliefern, dass mit Herzblut und knackigem Rock alle Kritiker verstummen lässt. Ein Umdichten der Vergangenheit, wird hingegen keinerlei Erfolg versprechen.

[Adrian]

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen